„Kann die das überhaupt?“ fragen Sie sich jetzt vermutlich, wenn Sie bei der Überschrift an Queen Elizabeth II. gedacht haben. Als längstes amtierendes Staatsoberhaupt beherrscht sie ihre Aufgaben ganz ohne Frage. Aber sie wird es wohl nicht schaffen für unsere Entschleunigung zu sorgen. Einer anderen Queen ist das gelungen. Nämlich der Queen Mary 2 – einem Kreuzfahrtschiff der Superlative.
Ein befreundetes Ehepaar wollte sich zur Silberhochzeit etwas Besonderes gönnen und buchte eine Transatlantik-Überquerung von Hamburg nach New York auf der Queen Mary 2. Eine Atlantiküberfahrt bedeutet 6 Tage keine Netzverbindung – außer über Satellit, was am Ende der Reise das eigene Konto ziemlich belasten kann.
Max ist (so nenne ich unseren Freund um die Anonymität zu wahren) eine Vollblutführungskraft, die kaum abschalten kann und während sonstiger Urlaube immer erreichbar war. Er nutzte sogar die Urlaube um komplette Bauvorhaben auszuarbeiten und die Verträge dazu zu überarbeiten. So verbrachte Max beispielsweise einen wunderbaren Urlaub auf der Rückbank eines Mietwagens, während seine Frau ihn durch atemberaubende Landschaften chauffierte. Sein Argument, dass alles termingerecht fertig sein musste, leuchtet mir ein, doch die Erholung blieb auf der Strecke, denn an Abschalten war in diesem Urlaub nicht zu denken.
Sie können sich vorstellen, dass sich Max riesig auf die gebuchte Kreuzfahrt freute – doch 6 Tage ohne Netzverbindung stellte eine Herausforderung für ihn dar. Mitarbeiter und Vorstandsteam wurden im Voraus über die Abwesenheit informiert und instruiert. Dann kam der große Tag …
Aufgrund der küstennahen Route auf dem Weg von Hamburg nach Southampton ist man die meiste Zeit weiterhin mit der restlichen Welt verbunden. Doch nach der Ausfahrt von Southampton mit Kurs in Richtung New York bricht die Verbindung recht schnell ab. Smartphones und Tablets verschwanden also im Safe. Auf dem Schiff entdeckte Max, dass die Telefonverbindungen doch gar nicht so teuer sind wie gedacht. Nun – jetzt waren ja alle informiert, dass er nicht erreichbar sei. Also entschied Max die nächsten 6 Tage „netzfrei“ zu verbringen, was ihm zu seinem eigenen Erstaunen bestens gelungen ist. Er verbrachte viel Zeit mit Sport und Lesen, ausgiebigen Gesprächen mit seiner Frau, nahm an angebotenen Aktivitäten an Bord teil, genoss die Muße und das leckere Essen auf dem Schiff. Nach der Reise fühlte er sich bestens erholt. Auch das Unternehmen hat Max´ Reise sehr gut überstanden.
Einige Tage nach ihrer Rückkehr habe ich Max und seine Frau getroffen und hatte den Eindruck, dass die netzfreie Zeit beiden sehr gut getan hat. Es war der erste Urlaub seit Jahren, in dem Max weder gearbeitet noch geschäftliche Telefonate geführt hat. Eine recht außergewöhnliche Erfahrung für Max´ Frau, die sich in der Vergangenheit oft in ihrer eigenen Erholung gestört fühlte, weil sie geschäftliche Telefonate zu jeder erdenklichen Zeit ertragen musste. Doch jetzt waren die beiden herrlich entspannt und wirkten so glücklich, diese wunderbare Reise erlebt zu haben mit ganz viel „gemeinsamer ungestörter Zeit“ (so haben sie es in ihrem Brief von Bord formuliert).
Für mich war das ein guter Anlass über mein eigenes Verhalten mit Smartphone & Co nachzudenken. Wieviel Prozent der eingehenden Nachrichten sind denn wirklich wichtig und erfordern eine sofortige Reaktion oder Entscheidung? Wo früher nur das Festnetz klingelte, wenn man sich z. B. abends zum Abendbrot am Tisch niedergelassen hat, kommen heute pro Person im Haushalt mindestens noch ein Smartphone dazu, die sich über die unterschiedlichsten Kanäle der sozialen Medien mit neuen Nachrichten bemerkbar machen können. Jeder für sich hat es in der Hand wie er mit diesen Medien umgeht. Ständiges Nachrichten lesen und schreiben während des Abendessens trägt mit Sicherheit nicht zu einer gelungenen Konversation mit dem Partner bei. Ebenso wichtig ist es bei einem Telefonat dem Menschen am anderen Ende der Leitung die volle Aufmerksamkeit zu schenken ohne nebenbei die Mails auf dem Laptop zu lesen. Den Fokus auf meinen Gegenüber zu richten, wie es Meister Eckhart bereits im 13. Jahrhundert formuliert hat, ist für mich der einzig richtige Weg, um im Hier & Jetzt zu sein. Und hier das Zitat: „Ein Weiser wurde gefragt, welches die wichtigste Stunde sei, die der Mensch erlebt, welches der bedeutendste Mensch, der ihm begegnet, und welches das notwendigste Werk sei. Die Antwort lautete: Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.“
Wie halten Sie es mit den modernen Kommunikationsmedien? Sind Sie immer „Online“? Arbeiten Sie im Urlaub Ihre Mails ab? Wenn ja, wie erholt fühlen Sie sich nach Ihrem Urlaub? Konnten Sie richtig abschalten? Haben Sie auch "handyfreie" Zeiten am Feierabend oder am Wochenende? Und noch ein ganz anderer Gedanke kommt mir zu diesem Thema in den Sinn: Hat nicht jeder Mensch (und ganz besonders Unternehmer mit Mitarbeiterverantwortung) die Pflicht gut für sich zu sorgen, um gesund und leistungsfähig zu bleiben?
Der Mensch hat die modernen Kommunikationsmittel geschaffen. Jetzt muss er lernen, sinnvoll und verantwortungsbewusst damit umzugehen. Ich freue mich über Ihre persönlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet. Schreiben Sie mir!
Herzlichst,
Ihre
Corinna Wiß