Im Rahmen eines Achtsamkeitsseminar in einer Gruppe, die täglich für andere Menschen da ist, habe ich gesagt „Jeder Mensch hat die Verantwortung gut für sich selbst zu sorgen, damit er auch für andere gut sorgen kann“.
In einem anschließenden angeregten Telefonat mit meinem Auftraggeber meinte dieser, dass seine Mitarbeiterinnen dann bei jeder Gelegenheit meinen Satz so interpretieren könnten, dass sie Arbeitsbedingungen ablehnen sollten, weil sie auf ihre Gesundheit achten müssten.
Ich bleibe bei meiner Aussage, möchte aber klarstellen, dass eine gesunde Selbstfürsorge nichts damit zu tun hat, der Arbeit aus dem Weg zu gehen und alle unangenehmen Aufgaben, die jeder Beruf so mit sich bringt, den Kolleginnen oder Kollegen zu überlassen. Vielmehr bedeutet die Selbstfürsorge, dass wir uns selbst um unsere körperliche und seelische Gesundheit kümmern, indem wir einen guten Ausgleich zu den Anforderungen unserer täglichen Arbeit schaffen. Eine positive Einstellung uns selbst gegenüber ist dazu die Voraussetzung. Selbstfürsorge ist also die Basis, um auch für andere gut sorgen zu können und deshalb wichtige Voraussetzung für ein aktives gesellschaftliches Miteinander. Kümmern wir uns nicht um uns selbst, können wir uns irgendwann auch nicht mehr um andere kümmern, weil uns die Kraft dazu fehlt.
Selbstfürsorge hat nichts damit zu tun, zwischen Tür und Angel mal schnell eine Atemübung zu machen und das war es dann auch schon wieder. Selbstfürsorge ist eine gesunde Haltung zum eigenen Selbst und seinem Wert und bedeutet, auf die mentale, körperliche & emotionale Gesundheit zu achten und sie kontinuierlich zu unterstützen.
Das Modell der Salutogenese
Machen wir einen Abstecher in das Konzept der Salutogenese, das in den 1980er-Jahren von dem israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994) entwickelt wurde. In diesem Konzept wird deutlich, dass Gesundheit kein Zustand ist, sondern ein fortwährender Prozess, der alle Dimensionen des Lebens miteinander verbindet. Gesundheit und Krankheit werden dabei als zwei entgegengesetzte Pole betrachtet. Stress und Überforderung als Risikofaktoren stehen in einer ständigen Wechselwirkung mit Schutzfaktoren. Denn diese kurbeln unsere Selbstheilungskräfte an und sorgen für Stimmigkeit in einem aufeinander bezogenen System.
Das Kohärenzgefühl
(sense of coherence) bildet den Mittelpunkt der Salutogenese durch die drei wesentlichen Einflussfaktoren:
1. Verstehbarkeit
- die Fähigkeit, die Zusammenhänge des Lebens zu begreifen
(Ich weiß, was ich tue …)
2. Handhabbarkeit
– die Überzeugung, das eigene Leben selbst beeinflussen und gestalten zu können
(Ich kenne die Mittel, um gute Arbeit leisten zu können …)
3. Sinnhaftigkeit
– der Glaube an den Sinn des Lebens
(Ich weiß, warum ich etwas tue …)
Sind alle drei Faktoren gegeben, vertraut der Mensch auf seine Ressourcen und meistert mit Überzeugung die Herausforderungen des Lebens. Je mehr Ressourcen einem Menschen zur Verfügung stehen, umso größer ist die Widerstandskraft gegenüber Stressoren.
Ein ausgeprägtes Selbstwirksamkeitsgefühl und eine positive Geisteshaltung führen zu der Überzeugung, dass alles, was passiert, eine Berechtigung und einen tieferen Sinn hat. Das bedeutet nicht, dass wir alles, was uns widerfährt, gutheißen müssen, aber Ängste vor der Zukunft wirken sich negativ auf unsere Gesundheit aus. Ein gesundes Urvertrauen nimmt uns diese Ängste.
Kommen wir zurück zur Selbstfürsorge
Genau wie Gesundheit ein fortwährender Prozess ist, ist auch die Selbstfürsorge ein Prozess, der nicht mit einer kleinen Handlung erfüllt ist.
Auf körperlicher Ebene bedeutet Selbstfürsorge
also auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, dem Körper ausreichend Flüssigkeit zuzuführen, für einen ausreichenden und erholsamen Schlaf zu sorgen und für regelmäßige Bewegung in Form eines Sports, der auch wirklich Spaß macht. Auch regelmäßige Entspannung sowie ärztliche Vorsorgeuntersuchungen gehören dazu.
Zur Selbstfürsorge auf emotionaler Ebene
ist die Wahrnehmungsfähigkeit eine wichtige Voraussetzung. Fast in jedem Blog-Artikel verweise ich auf diese wichtige Schlüsselfähigkeit, denn nur was wir wahrnehmen, können wir auch beeinflussen. Auf dieser Ebene ist also wichtig, unseren Gefühlen und Bedürfnissen Raum zu geben.
Für unsere mentale Gesundheit
ist enorm wichtig, durch einen achtsamen Umgang unsere Gedanken und (vermutlich) veralteten Glaubenssätze auf den Prüfstand zu stellen. Eine entsprechende Gedankenhygiene ist das A und O für ein glückliches und gesundes Leben.
Eine weitere Säule der Selbstfürsorge ist unsere soziale Kompetenz. Sind wir in einem gut funktionierenden, sozialen Netzwerk eingebunden, das uns auffängt in schwierigen Zeiten? Sind wir für andere da, wenn wir gebraucht werden? Gibt es eventuelle soziale Konflikte, die noch gelöst werden wollen?
Natürlich darf auch die regelmäßige Me-Time
mit Momenten für sich allein, die der persönlichen Reflexion und Dingen, die uns Sinn geben, gewidmet sind, für eine gesunde Selbstfürsorge nicht fehlen.
Unsere Gesundheit ist das wichtigste Gut. Leider merken wir das oft erst, wenn es zu spät ist. Sind wir gesund und vital, reagieren wir resistent gegen äußerliche Stressfaktoren. Wir bleiben in stressigen Situationen gelassen und lassen uns unsere Lebensfreude nicht nehmen – wir sind kohärent und mit Urvertrauen gesegnet.
Gerade wer beruflich täglich für andere Menschen da ist, wie beispielsweise Menschen im Pflegebereich, im Schuldienst, in medizinischen Bereichen, in Beratung und Coaching, uvm. brauchen einen adäquaten Ausgleich für die persönliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wer nicht gelernt hat auf sich selbst zu achten, dem droht die Gefahr des schnellen Ausbrennens. In diesem Sinne ist die Selbstfürsorge weniger eine egoistische Handlung als eine Maßnahme der Prävention, um die eigene Gesundheit zu erhalten. Gießen und düngen Sie Ihre Zimmerpflanze regelmäßig, wird sie es Ihnen mit guter Gesundheit und einem schönen frischen Aussehen danken. Gießen Sie Ihre Pflanze allerdings nur zweimal im Jahr, wird ihr Aussehen weniger vital und gesund sein. Pflanzen gedeihen eben nur mit entsprechender Fürsorge. Auch Ihr Auto fährt nur mit Benzin oder Strom. Hier werden Sie auch nicht auf die Idee kommen, dass Sie jetzt gerade keine Zeit zum Tanken haben. Mit uns selbst gehen wir da gerne etwas nachlässiger um. Morgen ist auch noch ein Tag oder übermorgen … .
Aber Selbstfürsorge muss Freude machen und soll nicht stoisch erfüllt werden müssen. Suchen Sie sich deshalb Betätigungen, die Ihnen auch echte Freude machen und nicht zwischen zwei Terminen zwischendurch abgehandelt werden, um das Gewissen zu beruhigen. Stärken Sie Ihr Urvertrauen, um den täglichen Herausforderungen gelassen und freudvoll zu begegnen. Genau das sind meine Wünsche für meine Klienten und auch für Sie als Leserin oder Leser. Geben Sie Burnout keine Chance!
Den Leserinnen und Lesern meines
Infoletters für mehr Gelassenheit
stelle ich in diesem Zusammenhang ein Arbeitsblatt für die Selbstreflexion zum Thema Selbstfürsorge zur Verfügung. Möchten Sie dieses Arbeitsblatt ebenfalls für Ihre persönliche Reflexion erhalten, dann schreiben Sie mir einfach eine
Mail.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung!
Ihre
Corinna Wiß
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