Ich gebe zu, die Überschrift klingt etwas provokativ. Aber momentan beschäftigen mich die Themen Anerkennung und Wertschätzung im Beruf sehr. Angeregt zu diesem Thema wurde ich durch eine Teilnehmerin in meinem Workshop „Gelassen mit Stress umgehen“ an einer Schule. Sie sagte, dass sie in ihrem Bekanntenkreis keine Anerkennung für ihren Beruf erfahre. Es war sehr deutlich zu spüren, dass ihr diese fehlende Anerkennung sehr zusetzte. Einen Beruf auszuüben, der im Freundeskreis keine Wertschätzung erfährt und sie als Mensch wertlos erscheinen lässt.
Schon zu Zeiten als ich Seminare für moderne Umgangsformen hielt und noch nicht so intensiv mit den Themen Stressmanagement und MINDBODYCIRCLE®-Gesundheitstraining vertraut war, war das Thema Wertschätzung für mich essentiell. Ich vermittelte meinen Teilnehmern gerne, dass es wichtiger ist seinen Mitmenschen mit Wertschätzung zu begegnen als stur Regeln zu lernen und danach vorzugehen. Natürlich ist es immer gut Regeln zu kennen, aber wer wertschätzend mit anderen umgeht, dem wird ein kleiner Fehler oder Fauxpas schnell verziehen. Gerade beim Thema Stressmanagement ist die Wertschätzung ein wichtiger Gesundheitsfaktor, denn er ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Fehlt dem Menschen die Anerkennung für seine Leistung und auch das Wahrgenommen werden als Mensch, hat das folgende Auswirkungen: Die Produktivität nimmt ab und die Leistung sinkt. Das Arbeiten macht keine Freude mehr. Das kann körperliche Auswirkungen nach sich ziehen, aber vor allem leidet die Psyche. Wem die Anerkennung fehlt, der fühlt sich wertlos, mutlos und ist nicht bereit Verantwortung zu übernehmen oder sich in neue Aufgaben einzuarbeiten. Welche Auswirkungen das in Unternehmen, Institutionen und Behörden nach sich zieht, möchte ich an dieser Stelle gar nicht ausführen. Denn nicht nur den Lehrkräften fehlt oft die Anerkennung, sondern auch z. B. Menschen im Polizeiberuf, Menschen im Verkauf, in Versicherungsberufen und mittlerweile auch in Banken, etc. Es geht hier nicht nur um die interne Anerkennung und Wertschätzung der Leistung von Seiten des Vorgesetzten, sondern auch um die gesellschaftliche Anerkennung des Berufes generell, was den Beteiligten sehr zusetzt.
Ein Umdenken auf gesellschaftlicher Ebene herbeizuführen ist ein langwieriger Prozess. Einen wertschätzenden Umgang in Unternehmen, Behörden und Institutionen einzuführen ist auch ein langer Prozess, aber aussichtsreicher und durchaus lohnenswert. Schön, wenn der Faktor Wertschätzung von der Führung aus gelebt wird. Aber jeder Mitarbeiter muss seinen Teil dazu beitragen und schließlich brauchen auch Führungskräfte Wertschätzung und Anerkennung, dass sie ihre Aufgabe gut und gerne machen. Hilfreich dabei ist auch eine wertschätzende Kommunikation untereinander sowie der Einsatz der Zauberwörter „Bitte“ und „Danke“.
An dieser Stelle sei ein direktes Wort an die Lehrerinnen und Lehrer erlaubt. Der schnellste und sicherste Weg zur Anerkennung ist die Selbstwertschätzung! Jetzt sagen Sie bestimmt „Eigenlob stinkt!“, das haben Sie schon in der Kindheit gelernt. Aber es geht hier weniger um Lob als um Anerkennung, was ich gerne an einem Beispiel erläutern möchte. Bleiben wir doch beim Beruf der Lehrkraft: Bestimmt steckt in Ihnen ein innerer Antrieb, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben. Machen Sie sich bewusst, für wie viele Schüler Sie verantwortlich sind, die Sie unterrichten, erkennen Sie sich dafür an, dass Sie von morgens bis Unterrichtsende in jeder Minute präsent sind beim Unterrichten und die Pausen oft für Organisatorisches geopfert werden. Holen Sie sich die Zeiten ins Bewusstsein, die Sie für die Unterrichtsvorbereitung und für Korrekturen brauchen, Zeiten, die Sie für Verwaltungsaufgaben und für die Organisation von Klassenfahrten, Schulveranstaltungen, etc. verwenden. Sie wissen auch, dass das Unterrichten immer schwieriger wird, da die Klassen immer lauter werden und es in jeder Klasse mehr Schüler mit Verhaltensdefiziten gibt. Zudem werden Sie immer öfter mit Erziehungsaufgaben betraut, denen die Eltern nicht mehr nachkommen wollen oder können. An dieser Stelle möchte ich Ihnen das Zitat einer anonymen Grundschullehrerin, das am 12. Februar 2017 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Ansprüche einer Mutter zitiert wurde, nicht vorenthalten: „Erziehen Sie doch mein Kind. Sie sehen es schließlich öfter als ich“. Menschen, die den Lehrberuf nicht kennen, werden immer nur Ihre Ferien sehen, um die Sie ohne Zweifel beneidet werden. Sie können das große Ganze sehen und für diese Leistung dürfen und sollten Sie sich anerkennen. Das hat nichts mit Eigenlob zu tun.
So zu verfahren, kann ich jedem Menschen, egal welchen Beruf er oder sie ausübt, empfehlen. Sie alleine wissen, was Sie leisten. Und es ist ein erster kleiner Schritt, gelassener mit Stress umzugehen. Denn mit Ihrem Wissen um Ihr Können und Ihre Leistung steigern Sie Ihre Selbstwirksamkeit, d. h. Ihre Überzeugung, auch schwierige Situationen aus eigener Kraft meistern zu können. Zudem bleiben Sie mit Ihrem Gewahrsein bei sich, ohne sich von der Meinung anderer ablenken oder beeinflussen zu lassen. So werden Sie unabhängiger von Meinungen anderer, was Ihnen den Wert der Freiheit verleiht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine wertschätzende und gelingende Zeit!